Der Dornbusch von Donegal – Frederik Hetmann (Besprechung)

  • Der Dornbusch in Donegal: Irische Märchen
  • Herausgeber: Frederik Hetmann
  • Gebundene Ausgabe : 240 Seiten
  • ISBN-10 : 3898750329
  • ISBN-13 : 978-3898750325
  • Verlag: Königsfurt-Urania Verlag, 2002

Sein wie immer sehr aufschlussreiches Nachwort beginnt Frederik Hetmann mit der Feststellung: »Keine Nation der Welt hat ihre Märchen mit so liebevoller Hingabe gesammelt wie Irland.« Um dies zu dokumentieren, hat Hetmann aus dem Fundus der Irischen Folklore-Kommission in Dublin die aus seiner Sicht schönsten Märchen- und Feengeschichten ausgewählt. Das dürfte nicht leichten Herzens geschehen sein, denn das Quellenmaterial ist reichlich vorhanden.

Dies wird man selbst feststellen können, wenn man sich auch nur ein wenig mit der Materie befasst; Irland darf immerhin auch stolz darauf sein, das Kulturgut Märchen über die Jahrhunderte pfleglich behandelt zu haben. Und selbst heute, wenn im Klang des Wortes Märchen etwas Kindhaftes mitschwingt, etwas Beschauliches und aus einer anderen Zeit stammendes, wird man im irischen Alltagsleben durchaus noch mit den phantasievollen (oder sind es doch keine Phantasien …) Geschichten konfrontiert. Deshalb gibt es auch eine Musikkultur, die Rückgriff nimmt auf Tradionelles und Sagen- oder Märchengeschichten in beispielsweise Liedtexten konserviert. (Dabei ist es nicht unbedingt nur Folkmusik von Gruppen wie Clannad, die Sagengestalten verarbeiten; die Pogues haben Chuchulainn in Ehren gehalten, die Horslips haben in den 70ern mit »Book of Invasions« die ersten Kelten in Irland besungen, und Beispiele wie Cruachan deuten an, wie knochenhart die Iren aufspielen können.)

Der Dornbusch in Donegal

 

Im Grunde musste es für Frederik Hetmann eine Freude sein, aus dieser Fundgrube schöpfen zu können. Demzufolge begegnen uns auf den 244 Seiten des gediegen aufgemachten und sehr preisgünstigen Bandes im Taschenbuchformat, das aber als solides Leinenbuch aufgemacht ist, von der ersten Geschichte bis zur letzten ausschließlich interessante Erzählungen, die mal kürzer, mal länger gehalten sind. Sie eignen sich bestens dazu, für eine Handvoll (oder etwas mehr) Minuten zur Kurzweil und zum Verschnaufen gelesen zu werden. Dabei offenbaren sie meist einen hintergründigen Witz, durch den jede noch so tragische Begebenheit seine zwei Seiten offenbart. Das bekannte »mit einem weinenden und einem lachenden Auge«, das Sehen von Licht, wo auch Schatten war, passt haargenau zur irischen Tradition.

In seinem Nachwort gibt Frederik Hetmann einmal mehr beredt Auskunft zu den Märchen, wobei er darauf hinweist, dass die längeren Geschichten am Anfang des Bandes mündlich überlieferte Stoffe sind und unter anderem auch auf den Tain Bo Cuailgne verweisen, einen der beiden großen Sagenketten der irischen Mythologie. Anhand der Entwicklung lässt sich sehr gut ablesen, wie aus Heldenepen durch die Weitergabe märchenhafte Erzählungen geworden sind; Geschichte verwindet sich hier mit phantastischen Elementen, aus möglicherweise wahren Begebenheiten werden Sagen.

»Der Dornbusch in Donegal« sollte nicht vergessen am Wegesrand stehen. Ich denke mir, dass sich in seiner Nähe ein schattiger Platz finden wird, an dem man sich niederlassen und im Bändchen lesen kann. Frederik Hetmann hat die Vorarbeit geleistet und einen Märchenreigen geflochten. Nun liegt es nicht mehr an ihm, dass der Dornbusch nicht verdorrt.


[Meine Buchbesprechung erschien ursprünglich vor rund fünfzehn Jahren im Onlineportal X-Zine. Diese Ausgabe ist nur noch antiquarisch erhältlich. Mittlerweile erschien jedoch eine um einige Beiträge gekürzte Neuausgabe unter dem Titel »Irische Märchen« im selben Verlag – der Kern meine Rezension sollte also weiterhin gültig sein.]