Hinter der Schwarzdornhecke – Frederik Hetmann (Besprechung)

  • Hinter der Schwarzdornhecke
  • Frederik Hetmann
  • Gebundene Ausgabe : 380 Seiten
  • ISBN-10 : 3898751287
  • ISBN-13 : 978-389875128
  • Herausgeber : Königsfurt-Urania Verlag; 2005

Der Autor Frederik Hetmann hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr verdient gemacht um die Märchen aus aller Welt.Wie mir aber scheint, galt sein Augenmerk ganz besonders den keltischen Märchen, denn immer wieder verschlug es ihn literarisch in die Bretagne, nach Wales und Schottland – und natürlich nach Irland!

In diesem Buch sind eine große Anzahl an Geschichten aus den Federn berühmter und weniger berühmter irischer Dichter und Schriftsteller versammelt. Dabei muss einschränkend festgehalten werden, dass eine Vielzahl dieser Erzählungen nicht ihnen originär zugeschrieben werden kann. Das begründet sich darin, dass die irischen Sagen und Märchen eine sehr alte Tradition haben und eine Eigentümlichkeit: sie wurden mündlich weitergegeben, von einer Generation zur nächsten, erzählt am prasselnden Torffeuer in einerm der irischen nasskalten Winter.

Doch bevor diese Mythen, Sagen und Märchen für immer verloren gehen konnten – und wer bedenkt, dass in der heutigen Zeit auch das Vorlesen bei den Kindern vor dem Schlafen in unserer Kultur längst nicht mehr den Stellenwert besitzt, den es vor TV und PC besaß, wird sich kaum noch vorstellen können, in welchen Situationen Märchen erzählt werden sollen -, haben Autoren sie niedergeschrieben.

Einer der Bekanntesten war Thomas Crofton Crocker, dem es zuteil wird, die vier ersten Geschichten beizutragen. Damit die Schriftsteller nicht ohne Profil bleiben, erläutert uns Hetmann alles Wichtige zum Autor, erzählt Biographisches und setzt in ins rechte Licht im Hinblick auf die Märchenkultur. Das empfinde ich als sehr wichtig, weil auf diese Weise deutlich wird, wie verhaftet das Märchen erzählen in der irischen Kultur ist und anders als bei uns ein Teil des Lebens und des älter werdens war. (Ob dies heute noch zutrifft, kann ich nicht beurteilen, doch befürchte ich, dass auch in Irland der Blick weniger zu den Traditionen gerichtet ist, sondern in die zukünftige Entwicklung des Landes, was sich eher in Prosperität und Wohlstand ausdrückt.)


Neben einer großen Zahl weniger geläufiger Autoren darf William Butler Yeats nicht fehlen. 1923 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Neben dem mehr anspruchsvollen Werk widmete er sich Zeit seines Lebens der Märchenkunde; er besaß eine sehr große Affinität zur Feenwelt (und wie Hetmann feststellt, glaubte Yeats »… selbst weitgehend an die Feen und die Anderswelt«) und sammelte, was er zur Thematik Märchen und Sagen entdecken konnte. Als Resultat wurden schon im 19. Jahrhundert zwei Bände unter seiner Federführung veröffentlicht: »Fairy and Folk Tales of the Irish Peasantry«  und »Irish Fairy Tales.« 
Eine weitere wichtige Persönlichkeit, die in diesem Band ihre Aufwartung macht, ist Peig Sayers. Sie wird auch als „Königin der gälischen Geschichtenerzähler“ bezeichnet und lebte viele Jahre bis zu ihrem Tode auf der grimmigen und kargen Insel Great Blasket. Dort erzählte sie ihre Vielzahl an Geschichten, von denen ein Teil zum Glück schriftlich festgehalten werden konnte. Genauso, wie Peig Sayers das ursprüngliche Irland symbolisiert, stehen ihre und die anderen erzählten Geschichten für eine vergangene Zeit.

Auf 356 Seiten präsentieren sich die mehr als 30 Erzählungen, von denen mich keine einzige nicht fesseln konnte. Natürlich ist eine Vorliebe für diese Art der Geschichten nötig, um sie vollends genießen zu können, aber ich denke, dass jeder Fantasyleser, der einmal abseits vom »Herrn der Ringe« wildern möchte, mit diesem Buch den Appetit nach phantastischer Kost auf vorzügliche Weise bedienen kann. Und noch ein Schmankerl hat diese Ausgabe anzubieten: Im Anhang greift Frederik Hetmann tief in seinen Wissensfundus und erläutert die Hintergründe der Märchen in Irland; in gewisser Weise also ein Abstecher in die Sekundärliteratur, was aber ohne trockene Fachbegriffe geschieht.

»Hinter der Schwarzdornhecke« erschien übrigens ursprünglich im Verlag Eugen Diederichs. Diese Ausgabe ist längst vergriffen. Der Verlag Königsfurt macht sich verdient darum, das Kleinod wieder erwerbbar zu machen und den hoffentlich niemals stillbaren Durst nach irischen Märchen und Sagen zu löschen. Wer auch nur ein kleines Fitzelchen an Interesse für Irland und seine Erzählungen verspürt, der muss einfach zugreifen. Märchenhafter wird man nicht auf die grüne Insel und in die Anderswelt entführt.


[Meine Buchbesprechung erschien ursprünglich vor rund fünfzehn Jahren im Onlineportal X-Zine. Diese Ausgabe ist nur noch antiquarisch erhältlich.]