Sehen heißt Glauben

Thomas Crofton Croker lebte von 1798 bis 1854. Croker wurde in Cork im Süden Irlands geboren und starb in London. Er widmete sich dem Sammeln überlieferter Geschichten. Die folgende Feenlegende wurde in seinem dreibändigen Werk »Fairy Legends and Traditions of the South of Ireland« (1825 – 1828) veröffentlicht. Ich habe die Geschichte »Seeing is Believing« auf erainnische Begebenheiten umgedeutet, inhaltlich aber nichts verändert. Sie spielt irgendwann nahe der Gegenwart in der Gegend um Areínnall, der Hauptstadt des grünen Landes.


 

Sehen heißt Glauben

Thomas Crofton Croker

Es gibt die Menschen, denen jeder im Leben einmal begegnet sein muss. Menschen, die so tun, als würden sie nicht glauben, woran sie tief in ihrem Herzen doch glauben und wovor sie sich sogar fürchten. Eidirsceol war einer diesen Menschen. Eidirsceol war ein forscher, ausgelassener Sorglos-Typ, der sich um nichts scherte – aber das ist heute nicht weiter von Belang. Er quasselte immer den einen oder anderen Unsinn, und bei all seiner anderen Dummheit gab er noch vor, nicht an Feen, die Clobhair-ceanns und die Púca zu glauben; und er war sogar manchmal so unverschämt, sogar an Geisterwesen zu zweifeln, an die sonst jeder glaubt. Einige Leute zwinkerten sich zu und guckten wissend, wenn Eidirsceol wieder prahlte, denn er wurde auch beobachtet, wenn er nach Einbruch der Dunkelheit die Furt von Ath na bo sehr hasenfüßig passierte. Und als er einmal im Dunklen an der alten Kirche von Greanach vorbeiritt, und obwohl er genug Poitín intus hatte, um jeden Mann umzuhauen, trieb er sein Pferd so an, dass es niemandem möglich gewesen wäre, mit ihm Schritt zu halten; und ab und zu warf er einen bangen Blick über seine linke Schulter zurück.

Eines Nachts saßen ein paar Leute in Ruaircs Schenke, tranken und quatschten, und Eidirsceol saß mittendrin. Wie gewohnt machte er mit seinem Geschwurbel um die Feen weiter und schwor, dass er nicht glaubte, dass es irgendwelche Lebewesen gab, außer Menschen und Raubtieren, Vögeln und Fischen und solchen Wesen, die einen Leib hatten, und letztlich redete er so abfällig über die »kleinen Leute«, dass einige der Lauscher eingeschüchtert wurden und sich bekreuzigten, ohne zu wissen, was überhaupt zur Strafe fürs Zuhören geschehen könnte, als eine alte Frau namens Moirna, die einen langen blauen Umhang um ihren hageren Leib trug und in der Kaminecke gesessen und ihre Pfeife geschmaucht hatte, ohne sich an dem Gespräch zu beteiligen, die Pfeife aus dem Mund nahm, die Asche abschlug, ins Feuer spuckte und Eidirsceol, der sich umdrehte, scharf ins Gesicht sah.

»Und du glaubst also nicht, dass es solche Dinge wie Clobhair-ceanns gibt, nicht wahr?«, sagte sie.

Eidirsceol sah ziemlich verdutzt aus, sagte aber nichts.

»Wenn du schweigst, dann ist das wohl alles nichts als Ratscherei, wenn du so tust, als würdest du nicht glauben, was dein Vater und der Vater deines Vaters und sein Vater vor ihm geglaubt haben, und das ohne den geringsten Zweifel! Aber um die Sache kurz zu machen: Sehen heißt glauben, sagen sie; und ich, die ich deine Großmutter sein könnte, sage dir, dass es solche Wesen wie die Clobhair-ceanns gibt, und ich selbst habe einen gesehen. Und deshalb widme ich meine Geschichte besonders dir!«

Alle Leute im Raum sahen ziemlich überrascht aus und drängten sich zum Kamin, um ihr zuzuhören. Eidirsceol wollte lachen, aber das Lachen blieb ihm doch im Halse stecken. Und niemand kümmerte sich weiter um ihn.

»Ich erinnere mich«, sagte sie, »einige Zeit, nachdem ich meinen ehrlichen Mann geheiratet hatte, der jetzt tot und für immer von mir gegangen ist, und nur kurz, bevor ich mich mit meinem ersten Kind niederlegte (und das ist so manche lange Tage her), saß ich mit meinem Strickzeug in der Hand draußen in unserem kleinen Garten und schaute den Bienen zu, die wir hatten und die hin und her schwirrten. Es war ein schöner sonniger Tag mitten im Sommer, und die Bienen summten und flogen von den Bienenkörben zu den Blumen hin und her, und die Vögel zwitscherten und sprangen in den Hecken, und die Schmetterlinge flatterten und ließen sich auf den Blumen nieder und alles duftete so frisch und süß und ich fühlte mich so glücklich, dass ich alles um mich herum vergaß. Als ich plötzlich zwischen einigen Bohnenreihen, die in einer Ecke des Gartens standen, ein Geräusch hörte, als würde ein Schuhmacher einen Absatz auf einen Holzschuh hämmern.

›Nathir, steh mir bei!‹, sagte ich, ›was in aller Welt kann das sein?‹ Also legte ich mein Strickzeug beiseite, stand auf und stahl mich leise zu den Bohnen. Und ich glaubte es selbst nicht, als ich mitten zwischen den Bohnen einen alten Mann sah, der nicht ein Viertel so groß war wie ein Neugeborenes, mit einem kleinen schiefen Hut auf dem Kopf und einem Pfeifenstumpf im Mund und einem schlichten, zopfigen, tristen Mantel mit großen Knöpfen auf dem Rücken und einem Paar massiver silberner Schnallen an den Schuhen, die fast seine Füße vollständig bedeckten, so groß waren sie; und er schuftete richtig und beschlug verbissen ein kleines Paar Schuhe.

In dem Moment, als ich ihn mit meinen beiden eigenen Augen erblickte, da wusste ich, dass er ein Clobhair-ceann war. Und da ich unerschrocken und nachgerade tollkühn war, sagte ich zu ihm: ›Nathir schütze dich, ehrbarer Mann, das ist aber eine harte Arbeit, die du an einem heißen Sommertag machst.‹

Er sah mir ziemlich verärgert ins Gesicht; also rannte ich auf ihn zu, packte ihn mit meiner Hand und fragte ihn, wo sein Geldbeutel sei.
›Geld?‹, sagte er, ›Geld, was auch sonst! Und wie soll ein armer kleiner alter Kerl wie ich an Geld kommen?‹

›Komm schon, komm‹, sagte ich, ›keiner deiner Tricks zieht bei mir, jeder weiß doch, dass Clobhair-ceanns wie du so reich sind wie der Ard-rí selbst?‹

Also zog ich ein Messer heraus, das ich in meiner Tasche bei mir trug, und setzte ein so böses Gesicht auf, wie ich nur konnte (und das fiel mir damals nicht leicht, denn ich war ein hübsches und wildvergnügtes Mädchen, wie du keins sonst von hier bis nach Carraig na Fear treffen konntest) und schwor, wenn er mir nicht sofort seine Tasche gab oder mir einen Topf voll Gold zeigte, würde ich ihm seine Nase aus dem Gesicht schneiden.

Natürlich sah der kleine Mann verängstigt aus, als er meine Worte hörte, dass es mein Herz rührte und ich das arme kleine Wesen fast bemitleidete.

›Dann‹, sagte er, ›folge mir nur ein paar Felder weit und ich zeige dir, wo ich mein Geld aufbewahre.‹

Also ging ich, packte ihn immer noch fest an seiner Hand und hielt meine Augen auf ihn gerichtet, als ich plötzlich ein Schwirren hinter mir hörte.

›Dort! Da!‹, rief er, ›da schwärmen alle deine Bienen aus und fliegen dir für immer davon!‹

Wie ein dummes Huhn drehte ich meinen Kopf herum, und natürlich sah ich keine Bienen, und als ich den Clobhair-ceann wieder anschauen wollte, hielt ich nichts mehr in meiner Hand; denn als ich so töricht war, meine Augen von ihm abzuwenden, glitt seine Hand aus meiner, als wäre er aus Nebel oder Rauch. Und später trauerte ich darüber, dass er niemals wieder seinen Fuß in meinen Garten gesetzt hat.«