Die Coraniaid und das Alter

Die Zeit verrinnt, verwelkt, vergeht, und sie vergisst. Doch was gewesen ist, wird wieder sein, nur niemals wieder wie zuvor.

Die Coraniaid, so sagt man sich unter Menschen, sind nicht sterblich auf die Art, wie Menschen sterben. Coraniaid sterben vor Gram und Trauer. Sie sterben durch tragische Unglücke und Unfälle. Sie sterben durch die Hand eines anderen. Doch sie sterben nicht, weil sie zu alt geworden sind.

Und deshalb beantwortet kein Coraniaid diese Frage eines Menschen: »Wie alt bist du?« Denn das Alter ist bedeutungslos in einem Leben, das nicht nach Jahren gezählt wird, sondern nach Geschehnissen. Ein Coraniaid interessiert sich nicht dafür, wie alt er ist oder wie viele Jahre ein anderer Coraniaid zählt.

Das Feiern eines Geburtstages kennt er deshalb nicht. Es ist auch bedeutungslos für ihn, wie lange er eine Verbindung eingegangen ist. Statt der Jahre, die vergangen sind, orientiert er sich an den Ereignissen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt wichtig für ihn waren.

So weiß ein Coraniaid, dass er an dem Tag geboren wurde, an dem ein bedeutendes Ereignis am Sternenhimmel stattfand, vielleicht die Sonne verdunkelt wurde. Er weiß um den Tag seiner Vermählung, weil zur selben Zeit der Bote eines fernen Landes im Hohen Haus eintraf – die Bedeutung eines Ereignisses, an dem die Coranaid oder der Coraniaid sich orientiert, mag seltsam scheinen, doch für einen Coraniaid ist es wichtig genug.

Ein Coraniaid also zählt nicht die Jahre. Er ist jung, er ist alt, er kann sehr alt sein. Ist es wichtig, ob ein Coraniaid 3.546 Jahre oder 3.547 Jahre zählt? Für einen Coraniaid nicht. Die Jahre verwischen im Laufe eines Lebens, verlieren an Wert.

Die Altranas zum Beispiel, die Pflegschaft heranwachsender Coraniaid, wird nach menschlichen Maßstäben im Alter von 10 bis 12 Jahren eingerichtet. In diesem Alter gehen die Heranwachsenden als Lean Altrama, als Pflegekind, in die Obhut eines in Freundschaft verbundenen anderen Coraniaid. Doch unter Coraniaid wird dies nicht an Jahren festgemacht, dies ist ein Zugeständnis an die Menschen, die sich an Maßgaben klammern, um ihrem Leben eine Ordnung zu geben. Coraniaid aber sehen, wann es die rechte Zeit ist, und geben ihre Tochter oder ihren Sohn dann in die Obhut. Das Alter ist zweitrangig, wichtig ist, wann die oder der Betreffende bereit und gereift dafür ist.

Der Heranwachsende wird dann auch Ereignisse an für ihn wichtigen Vorkommnissen festmachen: »Das Jahr, in dem meine Altranas begann«, gibt ihm Orientierung genug.

Ebenso wird nicht an einem bestimmten Alter festgemacht, wann ein Coraniaid »zu alt« für eine Aufgabe ist. Er wird es selbst sehen, wann es so weit ist – wie alt er dann ist, ist ohne Bedeutung.

Natürlich kennen die Coraniaid den Jahreslauf, die Jahreszeiten, sie rechnen nach Monden in der Welt der Menschen. Vereinbarungen, die sie mit Menschen treffen, richten sich daran aus. Wenn sie sagen: »Wir sehen uns in einem Mond«, dann werden sie zum vereinbarten Zeitpunkt an einem vereinbarten Ort sein. Wenn ein Vertrag in einem bestimmten Jahr für eine bestimmte Zeitdauer abgeschlossen wird, dann gilt er genau so und nach dem Verständnis der Menschen. Coraniaid kennen die Gebräuche der Menschen und schieben sie nicht beiseite, sondern nehmen sie an.